Samstag, 2. März 2013

Persönliche Eindrücke/ Erfahrungen



Was fasziniert, was verunsichert, was „befremdet“?

Was fasziniert – die Lebensfreude der Menschen; wie viele Tage hintereinander gefeiert werden kann; die wenigen Unfälle bei der Fahrweise; zehn Polizisten, die an einer einzigen Kreuzung trotz funktionierender Ampel den Verkehr regeln; die Kontraste, die dieses Land aufzuzeigen hat; das Essen; Nationalfeiertage und die Tatsache, dass es nicht realitätsfern wäre, dass selbst Marienkäfer ihren eigenen Feiertag haben; wie vielfältig und interessant eine Kultur sein kann; Rituale; wie viel Zucker sich in Lebensmitteln befinden kann, weil es sonst nicht schmeckt; dass alle von einem Teller und mit den Fingern essen; die „Baby-Trage-Technik“ und die Art und Weise der Durchführung; dass Kinder niemals mit Hunden an der Leine spazieren gehen, sondern sie eher Kühe an der Leine spazieren führen; die Selbstverständlichkeit des öffentlichen Pinkelns, selbst an Ampeln auf großen Kreuzungen; dass Kleinkinder beim Wickeln einfach auf den Boden gelegt werden, beziehungsweise grundsätzlich auf dem Boden liegen; dass Kinder zur Arbeit mitgenommen werden; dass wenn auf der Arbeit nichts zu tun ist, man auch einfach mal ein Nickerchen halten kann, bis man von dem nächsten Kunden geweckt wird; „cholitas“; die Tütenwirtschaft, Trinken und Essen wird überwiegend in Tüten verkauft, um Teller nicht spülen zu müssen werden auch diese in Tüten verpackt und nach Verzehr wird die Tüte einfach ausgetauscht; die herunterhängenden Stromleitungen; dass an jeder Kirche, an der man vorbeigeht, das Kreuzzeichen gemacht wird, aber die Kirche an Heiligabend fast leer ist; traditionelle Musik, die Tänze und Kostüme dazu; dass jedes noch so kleine Dörfchen einen Schutzpatron hat, der einmal im Jahr über mehrere Tage gefeiert wird (ich weiß nicht ob die eigene Vorstellungskraft dazu ausreicht, um zu begreifen, wie viele Feste es demnach gibt); dass auf einem Motorrad eine ganze Familie samt Kleinkind Platz findet und der Helm überbewertet wird (wenn ein Helm getragen wird, trägt diesen meistens der Mann vorne); Alkoholkonsum; die Tatsache, dass Evo Morales davon überzeugt ist, dass das Erlernen indigener Sprachen gefördert werden muss, aber selbst keine davon spricht; dass vor Präsidentschaftswahlen das Ausschenken von Alkohol verboten ist; wie groß der 15. Geburtstag von Mädchen gefeiert wird; dass eine Milchpackung 946ml Milch enthält; die Preise für uns Europäer und die Tatsache, dass wir genauso handeln wie die Bolivianer; die Art zu teilen; wie lange Kinder noch bei ihren Eltern leben; Unpünktlichkeit, dass wenn etwas um 10 Uhr starten soll, es in Wirklichkeit um 14 Uhr beginnt; Süßigkeiten zum Frühstück; dass wenn Evo Morales sich aufgrund der Verlegung einer neuen Gasleitung in der eigenen Straße befindet und man nicht kommt, man mit Konsequenzen zu rechnen hat; dass Hühnchen als vegetarisch bezeichnet wird; dass aus dem Fenster des Busses heraus Speisen und Getränke gekauft werden können und auf dieselbe Art und Weise auch Müll entsorgt werden kann; zu neunt in ein normal großes Taxi steigen und sagen, dass noch drei Leute Platz haben; nach dem Weg fragen und sofort eine Antwort bekommen - die komplett falsch ist; die goldenen Sterne auf den Zähnen einiger „cholitas“; wie schick sich die kleinen Kinder für die Schule machen; frisch gepresster Orangensaft für knapp 30 Cent und noch kostenlos nachgeschenkt bekommen; Prostitution; dass du alles auf der „cancha“ kaufen kannst und sich die Bolivianer bei der Größe der „cancha“ orientieren können; wenn du Schuhe suchst, brauchst du nur in eine Straße zu gehen und du triffst auf mindestens 20 nebeneinanderliegende Schuhgeschäfte; seine Wäsche im Fluss mit Hand zu waschen; dass die Apotheker die neuen Ärzte sind; dass ein Arzt, egal was man hat, mindestens drei verschiedene Medikamente verschreibt; dass es erst seit letzter Woche nicht nur im Norden der Stadt (wohlhabenderes Viertel) Mülleimer gibt und zwar mit Trennungssystem, womit die Mehrheit nichts anzufangen weiß; niemals im Bikini schwimmen zu gehen; nach jedem Telefonat statt „tschüss“ „listo“ (fertig) zu sagen; dass man sich nicht an Straßennamen und Nummern orientiert, sondern an sich zwei kreuzenden Straßen; dass einige Fahrzeuge mehr Lichter besitzen als die Fahrgeschäfte auf der Kirmes; dass egal ob du dich in einer Bank oder in der Apotheke befindest, du eine Nummer ziehen musst, weil sonst die Reihenfolge nicht respektiert wird; dass man mindestens einmal im Monat nicht zur Arbeit kommt, weil es „bloqueos“ gibt und selbst die Taxifahrer, wenn man sie anspricht, manchmal sagen, dass sie heute keine Lust hätten zu fahren; dass egal ob auf Hochzeiten oder Partys immer in einer Reihe getanzt wird; die Verniedlichung eines jeden Wortes; der Mischglaube – Katholizismus, in dem oft noch Magie und Geistergläubigkeit eine Rolle spielen.      

Was verunsichert – die unsicheren Straßen Boliviens, wenn man diese, die bei Regen eher einem Fluss ähneln, als Straßen bezeichnen kann; die vielen Straßenhunde; die „chicos“, die sich mit dir treffen, obwohl sie Frau und Kind zu Hause haben; Kinderarbeit und die immer wiederkehrende Diskussion, ob man sie in Form von Geld unterstützen sollte oder nicht (meiner Meinung nach ist Geld an der Stelle keine Lösung); das Fehlen von Fußgängerampeln (zeigt deutlich wer im Straßenverkehr was zu „sagen“ hat – hier gilt: je größer das Fahrzeug, desto mehr Rechte im Straßenverkehr hat es); der ständige Durchfall in den ersten Monaten und die Tatsache, dass man trotzdem zunimmt; eine Gruppe von „inhaladores de clefa“ die auf einen zukommt; dass man abends von der Arbeit zum „trufi“ begleitet werden muss; dass man nicht an jedem beliebigen Geldautomaten Geld abheben sollte; all die Tricks, die es gibt, um jemanden auszurauben; Leid und Armut; das Hinterherpfeifen seitens der Polizisten und deren Freundlichkeit Ausländern gegenüber; dass alle einen mögen, wenn man weiß und blond ist; die strengen Regeln von Eltern und die Tatsache, dass ich den Eltern einer 24jährigen Freundin einen Besuch abstatten und um Ausgeh-Erlaubnis bitten muss; die Mundhygiene der Kinder; dass die Kinder trotz jeglicher Krankheit in den Kindergarten gebracht werden; dass Kinder betrunken oder auch einfach mal gar nicht abgeholt werden; dass man als Tourist grundsätzlich abzuziehen versucht wird; dass Lehrer einfach nicht zum Unterricht erscheinen; Dinge, die für uns selbstverständlich sind, für die Bolivianer zu Luxus gehören; die Möglichkeit Hundewelpen auf dem Markt einkaufen zu können; 36,4% der Straßen in der Umgebung nicht bei Nacht betreten zu können (nach eigenen Berechnungen), weil selbst die Einheimischen diese als gefährlich bezeichnen und nicht dort lang gehen; die etlichen Narben betrachten und sich fragen, wie so etwas überhaupt zu Stande kommen kann; dass die meisten der Prostituierten nicht mit Geld umgehen können und es für Luxusartikel ausgeben statt in ihre Zukunft zu investieren; dass Frauen oder Kinder seitens ihrer Partner Gewalt erleben und dies aber oftmals kein Trennungsgrund ist; die schlechten Bedingungen in den Hostals der Prostituierten; die Tatsache, dass die Prostituierten aufgrund ihres Verdienstes ihren Job nicht aufgeben möchten, aber es ihnen die Gesellschaft schwer macht als „normale“ Frau anerkannt zu werden, die weder stehlt noch tötet oder sonstiges Verbrechen begeht, sondern einfach nur ihrem Job nachgeht, der meiner Meinung nach wichtig ist (Grundvoraussetzung: freier Wille); dass kaum einer einen 100 bolivianischen Schein (10€) annimmt, weil er kein Wechselgeld hat; die Bilder von verbrannten Körpern auf der Titelseite der Tageszeitung; wie verwahrlost die Kinder zum Teil sind; die Tatsache, dass Kinder überall hin mitgenommen werden selbst in die Nachtvorstellung im Kino; dass vor jedem Eingang einer Bank ein Polizist mit mindestens einer Waffe steht und alles was er tut, dir hinterherzuschauen ist (ohne arrogant zu klingen); dass auf jeder Werbung nur „Weiße“ zu sehen sind; dass die meisten Bolivianer weder schwimmen noch Fahrrad fahren können.

Was „befremdet“ -  das Misstrauen, das man den Menschen gegenüber leider oft haben muss; die Korruption, die einfach überall ist, jedoch auch vieles „leichter“ macht, zum Beispiel beim Umgehen eines Strafzettels; wie grausam Korruption sein kann; dass man niemals sein Hab und Gut aus den Augen lassen sollte; dass fließend Wasser keine Selbstverständlichkeit ist; Organhandel; der schnelle Einsatz von Rauchgas seitens der Polizei; Gewalt; Verantwortungslosigkeit seinen Kindern gegenüber; dass „inhaladores de clefa“ von Polizisten aufgesucht, beraubt und teilweise misshandelt werden; über Schlafende „steigen“, die in den Gassen der Stadt wohnen; Machtlosigkeit; die Tatsache, dass die Kinder meist keine andere Wahl haben, als denselben Weg einzuschlagen wie ihre Eltern, wenn sie aus ärmlichen Verhältnissen kommen; die katastrophalen Umstände in den Gefängnissen und die Tatsache, dass ganze Familien dort zusammenlaben und manchmal selbst Opfer und Täter sich auf engstem Raum befinden; das Alter der Straßenkinder, das heißt ab wann sie bereits auf die Straße gehen (oft aufgrund der Gewalt zu Hause) und in wie jungen Jahren sie aufgrund der Nebenwirkungen des Klebstoffes sterben; dass die „inhaladores de clefa“ durchgehend mit dem Kleber unter der Nase herumlaufen. 

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