Dienstag, 27. November 2012

Fundación „Ruway Ñanta“ (Quechua: „Wege suchen und finden“) 

Unser Team, wobei noch drei auf dem Foto fehlen

Die Fundación wurde im September 2006 in Cochabamba/ Bolivien mit der Entwicklung des Projektes „Proyecto Mujer“ gegründet. Der dringende Bedarf an Angeboten für Jugendliche, junge Erwachsene und Familien, die ungeschützt und rechtlos auf der Straße leben, nicht zur Schule gehen, sexueller Ausbeutung und Gewalt unterliegen und in problematischen hygienischen Umständen und Wohnverhältnissen leben, animierte die Gründer zu diesem Projekt, das sich insbesondere an Mädchen, junge Frauen und ihre Familien richtet. 
„Ruway Ñanta“ will die Lebensqualität von Menschen am Rande der bolivianischen Gesellschaft verbessern. Sie setzt sich für Chancengleichheit und das Recht auf eine ganzheitliche Entwicklung jedes einzelnen Menschen ein. Die Fundación widmet sich sozialen Problemen wie Drogensucht, Gewalt, Diskriminierung, Armut, Ausbeutung und Kinderhandel, durch aktive, schnelle und unbürokratische Hilfe.
„Ruway Ñanta“ ist eine Organisation, die durch Analysen und Angebote soziale Themen aufgreift, die von der Gesellschaft vernachlässigt werden. Sie arbeitet präventiv und aktiv mit den Betroffenen durch Beratung, Bildung, Berufsfindung und soziale Hilfen. Ihr Ziel ist es, die betroffenen Menschen dabei zu unterstützen, ihre Probleme zu verringern und ein zufriedenes Leben zu führen. Die Fundación arbeitet mit staatlichen Institutionen und unterschiedlichen privaten Organisationen zusammen.

Die Fundación besteht aus zwei Projekten, dem „Proyecto Mujer“ (Projekt Frau) und Proyecto Infantil „Rayitos de Sol“ (Kindertagesstätte „Sonnenstrahlen“).
Das „Proyecto Mujer“ hat sich in den Jahren 2007-2008 aus der Arbeit mit jugendlichen Mädchen, Müttern und jungen Frauen entwickelt, die Opfer von sexueller Ausbeutung und Gewalt  und/ oder in einer wirtschaftlichen Notlage leben. Sie halten sich rund um den Busbahnhof und der „Avenida
 Aroma“ in Cochabamba auf. Durch aufsuchende Sozialarbeit erhalten sie Beratung, Bildung, Unterstützung bei neuen Lebensentwürfen sowie hygienische und gesundheitliche Versorgung.
Seit September 2008 gibt es in der Straße Junin (in der Nähe des Busbahnhofs und der Straße Aroma) das Lokal „Proyecto Mujer“. Hier können Beratung und Unterstützung der Mädchen und Frauen außerhalb der Straße stattfinden.
Neben dem Service-Café, bei dem die Frauen für einen kleinen Kostenbeitrag Getränke, Kuchen, Sandwiches und Ähnliches bekommen können, haben die Frauen die Möglichkeit, sich mit Handarbeiten - Gestalten von Postkarten, Armbänder knüpfen oder Stricken und Nähen - ein kleines Taschengeld zu verdienen. Hier gibt es auch Zeit zum persönlichen Gespräch und zur psychologischen Beratung. Außerdem werden die Frauen bei Behördengängen und in bürokratischen Problemen unterstützt.
Des Weiteren bietet das Projekt Frau regelmäßige Workshops an, in denen Themen wie übertragbare Krankheiten, HIV/ Aids, Aufklärung, Verhütungsmethoden etc. erörtert werden.
Parallel zum Proyecto Mujer konnte im November 2010 die Kindertagesstätte “Rayitos de Sol” – „Sonnenstrahlen“ gegründet werden. Sie ist offen für die Kinder der Frauen, die das Projekt besuchen, aber auch für andere Kinder, die in Armut leben oder im gleichen Stadtviertel wohnen. So wissen die Frauen ihre Kinder in guten Händen, während sie selbst ihrer Arbeit im Lokal oder auch außerhalb nachgehen können. 


























Die Bilder sind von Prostituierten aus Cochabamba, die jeweils ein Statement zu ihrem Beruf abgeben.
Meine Kinder wissen Bescheid
"Ich stehle nicht, ich töte nicht, ich betrüge nicht, ich schade keinem. Warum sollte ich mich schämen für das, was ich tue? 
Ich bin mittlerweile 55 Jahre alt, eine geschiedene Frau und Mutter von fünf Kindern. Seit 20 Jahren arbeite ich in diesem Milieu - alles für meine Kinder. 
Meine Kinder wissen was ich tue. Heute helfen sie mir, wie ich ihnen geholfen habe. Ich denke daran noch ein paar Jahre länger in dem Bereich zu arbeiten. Dies brauche ich für meinen waisen Enkel und damit meine Lieben ihren Abschluss schaffen können. Danach möchte ich mich gerne aktiv für die Rechte meiner Kolleginnen einsetzen."


Unwürdige Arbeitskonditionen
"In vielen der Räume, in denen die Frauen ihrer Arbeit nachgehen, gibt es kein Wasser, keine Sicherheit, keine Transportmöglichkeit und manchmal auch keine Straßen.
Wir sind nicht empfindlich; es ist die Geheimhaltung unserer Arbeit, die uns verwundbar macht und die Ungewissheit erhöht. Es fehlt an klaren Gesetzen, was unsere Arbeit betrifft.
Die Anerkennung unserer Arbeit und deren Gesetzgebung würde die Qualität unseres Lebens steigern.
In Bolivien sind wir mehr als 35000 Frauen, die in diesem Milieu tätig sind."


Die K'oa
"Wir sind Teil der Gesellschaft. Wir sind Mütter, Freundinnen, Kolleginnen, Töchter und Schwestern. Auch wir zelebrieren die "Pachamama". Jeden ersten Freitag des Monats treffen wir uns für die K'oa an unserer Ecke. Wir weihen sozusagen unser "Büro" ein, damit es uns bei allem besser ergeht und es nicht an Arbeit fehlt."


"Als ich in der Schule war, gefiel mir die Ungleichheit nicht, die es zwischen meiner Familie und anderen in meiner Gemeinschaft gab. Mit 15 Jahren habe ich mein Zuhause verlassen, um mir Arbeit zu suchen und so meine Familie unterstützen zu können. Ich habe keine Kinder, aber Eltern, Nichten, Neffen und Geschwister. Ich unterstütze alle soweit es möglich ist.
In La Paz habe ich begonnen als Haushälterin zu arbeiten. Es war viel Arbeit für wenig Geld und obendrein gab es sexuelle Belästigung vonseiten meines Chefs. Also bin ich von dort geflohen und ging nach Cochabamba. Als ich mich dem Milieu anschloss, sah ich wie sehr unsere Rechte verletzt worden sind. Dies schien mir nicht gerecht. Daher beteilige ich mich nun seit acht Jahren als Aktivistin. Ich kämpfe für unsere rechte und zeige Gewalttätigkeiten an, mit oder ohne Organisation. Ich habe keine Angst. Ich habe genauso viel Wert, wie jede andere Frau auch die arbeitet, denn das was ich mache ist eine Erwerbstätigkeit.
Wir bieten den Frauen unsere Hilfe an und bitten sie darum an dem Kampf der Emanzipation teilzuhaben, betonend, dass niemand das Monopol über unseren Willen hat. Wir sind darauf angewiesen uns gegenseitig zu helfen." (Präsidentin der Prostituierten Cochabambas)


Zerstörte Herzen
"Die Tattoos auf meinem Körper erzählen eine Geschichte: meine Geschichte voll von zerstörten Herzen und vielen Wunden. Als Prostituierte werden wir mit vielen Vorurteilen konfrontiert, die nicht nur Narben auf der Haut, sondern auch in der Seele hinterlassen. Diese Spuren sind zwar weniger sichtbar, aber nachhaltiger. 
Heute beunruhigt es mich nicht mehr allein zu sein, denn wie sagt man, lieber allein als in schlechter Begleitung. Meine Tattoos bleiben als eine Erinnerung an ein emotionales Leben- zerstört, wie jede andere Frau, die von einem Mann benutzt wurde, wie eine aufopferungsvolle Mutter oder ein Objekt der Befriedigung ohne jegliche Verpflichtung."

Je nach Alter der Prostituierten gibt es unterschiedliche Standorte. In der "Junin", in der sich auch unsere Fundación befindet, arbeiten zum beispiel die Frauen ab 40. Um die Ecke am Terminal befindet sich der "Kinderstrich". Die jüngsten Prostituierten sind 14 Jahre alt. Genauso wie das Anschaffen mit HIV ist auch das Anschaffen unter 18 Jahren gesetzlich verboten, jedoch reicht das Gesetz allein nicht aus, um dies zu verhindern. 
Die Frauen legen viel Wert darauf, dass der Arbeitsbereich nach Alter getrennt wird. Es ist eine Sache des Respekts dies einzuhalten. Ein Mädchen (17) hat dies nicht respektiert und sich zudem für einen viel zu niedrigen Preis angeboten - 10 Bs, dies beträgt umgerechnet einen Euro. Aufgrund dessen haben die Frauen ihre Genitalien mit "agua de chile" (Chilischote) beschüttet. 
Um Konkurrenzkampf zu verhindern gibt es einen Einheitspreis, der bei 50 Bs (5 Euro) liegt. Für diesen Preis gibt es das "Komplettpaket". Von diesen Einnahmen müssen die Frauen jedoch 15 Bs für das Zimmer, in dem sie arbeiten, abgeben. Wie oben beschrieben sind die Bedingungen dieser Zimmer katastrophal. Wenn sie duschen möchten, müssen sie teilweise extra zahlen, wenn es denn überhaupt fließend Wasser gibt. Dennoch verdienen die Frauen teilweise mehr als die Psychologen bei uns in der Einrichtung. Viele möchten nicht auf ihren Beruf verzichten, weil sie sich an den hohen Lebensstandard gewöhnt haben. An einem Wochenende haben die Frauen ca. 5 Kunden am Tag. 
Wir arbeiten in der Fundación nur mit "freien" Frauen zusammen, das heißt Frauen, die nicht für einen Zuhälter arbeiten, denn dies wäre zu gefährlich. Die Frauen, die für ihre Zuhälter anschaffen gehen, arbeiten meist in Lokalen, nicht auf der Straße. Allein von diesen Lokalen gibt es bei uns um die Ecke mehrere. 
Als die Fundación gegründet wurde, hat man versucht den Frauen andere Wege aufzuzeigen Geld zu verdienen, bis man gemerkt hat, dass die Frauen aufgrund ihres hohen Lebensstandards den Beruf gar nicht wechseln möchten. Heute werden sie in dem was sie tuen unterstützt. Wir machen sie auf ihre Rechte aufmerksam und helfen ihnen, wenn gegen diese verstoßen worden ist. Durch die unklaren Gesetze, kommt es nicht selten vor, dass eine Frau, die ihrer Arbeit mit einem Kunden nachgeht, nicht mehr zurückkehrt. 

Ich arbeite in dem gefährlichsten Stadtteil Cochabambas, so dass ich bei Einbruch der Dunkelheit immer zum "trufi" begleitet werde. Der Grund dafür, dass es so gefährlich ist, sind die "inhaladores de clefa", die teilweise in der "Junin" und Umgebung "wohnen". Zu Beginn war diese Unsicherheit ein seltsames Gefühl, man lernt jedoch mit der Situation umzugehen. Auch habe ich am Anfang kein Geld alleine abgehoben, sondern wurde zum Automaten begleitet. Mittlerweile weiß ich wo und wann ich Geld abheben kann. Am besten nämlich an Automaten, die von Polizisten bewacht werden. Jede Bank wird von mindestens ein bis zwei von ihnen bewacht. Auch wird einem empfohlen immer ein wenig Geld bei sich zu haben, für den Fall das man überfallen wird. Denn nicht selten haben die "inhaladores de clefa" Glasscherben bei sich und keine Scheu davor körperliche Gewalt einzusetzen.